
Schüsse von Schattendorf
© ORF Burgenland, Sendung vom: 28.01.2021
Auf der Hauptstraße in Schattendorf nahm am 30. Jänner 1927 die Tragödie ihren Lauf. Bei einer Versammlung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei schossen Männer der Frontkämpfervereinigung in die Menge. Der Kriegsinvalide Matthias Csmarits aus Klingenbach und der erst sechsjährige Schattendorfer Josef Grössing starben, fünf weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Geschossen wurde damals aus dem Gasthaus Tscharmann auf die gegenüberliegende Straßenseite.
Ostermayer: Ereignisse wurden im Ort lange verdrängt
Der ehemalige Bundesminister Josef Ostermayer ist der Großneffe des ermordeten Buben Josef Grössing. In Schattendorf habe man eigentlich jahrzehntelang versucht, nicht über die Schüsse von 1927 zu reden, „es in Wahrheit zu verdrängen“, so Ostermayer. Das habe auch damit zu tun gehabt, dass Nachfahren der Opfer und der Täter in Schattendorf lebten oder zum Teil noch immer leben. „Man hat nur nicht bedacht, dass man ein Ereignis, das österreichweit Wirkung hat, natürlich nicht verdrängen kann“, meinte Ostermayer.
„Zur falschen Zeit am falschen Ort“
Ostermayers Großmutter war die Schwester des ermordeten Buben. Die Ereignisse traumatisierten sie ihr Leben lang. Er habe lange Jahre versucht, mit seiner Großmutter darüber zu sprechen und es sei ihm dann tatsächlich einmal gelungen, dass sie ihm erzählte, wie sie diesen schrecklichen Moment in der Familie damals als 13-, 14-jähriges Mädchen erlebt hatte. Josef Grössing wurde zehn Tage vor seinem siebenten Geburtstag zu Grabe getragen. Tausende Menschen kamen zu dem Begräbnis. Er war so wie andere Kinder auch nur aus Neugierde bei der Versammlung der Arbeiterpartei gewesen. „Man hat gehört, dass im Dorf irgendwelche ungewöhnlichen Vorfälle sind und war dann zur falschen Zeit am falschen Ort“, so Ostermayer.
Nach Freisprüchen brannte Justizpalast
Im Juli 1927 wurde den Todesschützen in Wien der Prozess gemacht. Sie wurden aber freigesprochen. Daraufhin kam es zu massiven Tumulten und einem blutigen Aufstand, der Wiener Justizpalast wurde in Brand gesetzt. Bei den Auseinandersetzungen kamen 89 Menschen ums Leben. In Schattendorf erinnert heute eine Dauerausstellung an die verhängnisvollen Geschehnisse, die in dem Dorf ihren Lauf nahmen. „Wir können die Ereignisse nicht rückgängig machen, aber ich glaube, es ist unsere Aufgabe, dass wir aus diesen Ereignissen und auch aus den folgenden Ereignissen lernen – nämlich dass Gewalt wiederum zu Gewalt führt und man dann andere Wege einschlagen muss, um aus dieser Gewaltspirale herauszukommen“, sagte Ostermayer.
Die Schüsse von Schattendorf und der Brand des Justizpalasts waren tragische Meilensteine der Ersten Republik. Die Demokratie geriet ins Wanken und wenige Jahre später, im Jahr 1934, übernahmen die Austrofaschisten die Macht und Österreich wurde zur Diktatur.