schilf schneiden - Vom Bauen am Neusiedler See






schilf schneiden

Vom Bauen am Neusiedler See

Der Schilfgürtel des Neusiedler Sees im Burgenland ist unmittelbarer Bestandteil der Natur- und Kulturlandschaft Neusiedler See. Er steht in Zusammenhang mit der agrikulturellen Nutzung der umliegenden Uferzonen und ist für den natürlichen Lebensraum des Sees wesentlich. Seine Pflege trägt dazu bei, das uns bekannte Landschaftsbild des Neusiedler Sees, das erst durch die Einwirkung des Menschen seit circa 120 Jahren als solches besteht, zu erhalten. Folgt man dem Lauf der Geschichte, so liegt es heute an uns, diese Kulturlandschaft zu pflegen und in einer Wechselbeziehung mit ihr zu leben. 

Dem entgegen stehen die Herausforderungen der heutigen Gesellschaft in Verbindung mit der Nutzung des Sees und des Schilfgürtels, den sie als Naherholungs-, Freizeit- und Wohnort zu erobern versucht. Wohnsiedlungen im Schilf ohne Einbindung in das Dorfgefüge, Restaurants in prominenter Lage und Konsumzwang auf öffentlichem Gut sowie Seebäder, die die Besucherzahlen maximieren wollen, beschreiben eine Progression an sozialen Räumen, die weder demokratisch noch als im Sinne der Gemeinschaft zu werten sind. Diese rapid entstehenden Strukturen entwickeln sich im Spannungsfeld mit dem UNESCO-Weltkulturerbe und dem Naturschutz.

Ausgangspunkt der Diskussion bildet Anfang 2000 die Errichtung des Seerestaurants „Mole West“ in Neusiedl am See. Das architektonisch hochwertig ausgestaltete Lokal sitzt an vorderster Front des Seeufers und profitiert von seiner prominenten Lage. Folgeprojekte wie Apartmenthäuser, Hotelanlangen sowie weitere Restaurants versuchen ähnliche Qualitäten am Wasser einzufangen und üben einen Nutzungsdruck auf die spärlich vorhandenen Uferflächen aus. Der Neusiedler See als verschlafenes Ausflugsziel mit Bade- und Sportmöglichkeit entwickelte sich zu einem gefragten Touristik- und Immobilieninvestment.

Richtet man den Fokus zeitlich zurück, so zeigen bereits frühere Bautätigkeiten und gestoppte Planungsvorhaben vorangegangene bauliche Prägungen der Kulturlandschaft Fertő/Neusiedler See. Seehütten, Seerestaurants, Seehotels, Brücken- und Dammprojekte der letzten 70 Jahre sind Zeugnisse einer Kolonisation des Naturraums. Vor allem die Errichtung der Seebadanlagen – aufgeschüttete Inseln, die die Barriere des Schilfgürtels überwinden und einen Zugang zum Wasser verschaffen– sind Beispiele folgenreicher Eingriffe in die Landschaft.

„Schilf schneiden“ steht sinnbildlich für eine nachhaltige Umgangsform mit der Kulturlandschaft. Dieser Idee folgend versucht die Ausstellung, die gegenwärtigen Strukturen rund um den Neusiedler See räumlich zu erfassen, deren Ausprägungen programmatisch, typologisch und morphologisch im Kontext der Geschichte zu analysieren, um gegenwärtig gültige Fragen und Antworten im richtigen Umgang mit der Kultur- und Naturlandschaft des Schilfgürtels zu formulieren. 

Ein architektonischer Entwurf soll beispielhaft Strategien zeigen, wie bauliche Eingriffe im Schilfgürtel die Kommerzialisierung des Sees, die sozial-räumliche Einbindung der Dorfzentren (Zersiedelung, Donut-Effekt), die Nutzung durch den menschlichen Lebensstil und das Problem der Zerstörung von Natur- und Lebensraum nachhaltig behandeln können.

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